Die schwersten Hochwasser des 20. Jahrhunderts in unserer Stadt – Das Hochwasser im Juli 1932
Text von R. Scheuch (aus Triptiser Amtsblatt 1/1999) und Bildmaterial von W. Sauer
Im Juli 1932 jagte wieder eine Wetterkatastrophenmeldung die andere. Aus ganz Deutschland, von Ostpreußen über Mecklenburg-Vorpommern, über die Lausitz, über Sachsen, ganz Thüringen, das Moseltal, Baden und Württemberg bis hin zum Kaiserstuhl meldete die Presse Unwetterkatastrophen. Es wurde von schweren Gewittern, begleitet von Orkanen mit Wolkenbrüchen und Hagelschlag, berichtet. Die Blitze der Gewitter töteten Menschen und Tiere, zündeten Scheunen und Wohnhäuser an. Das Hochwasser riss Brücken und Bahndämme weg und im Kaiserstuhl fiel der Hagel so dicht, dass die Menschen bis an die Knie darin versanken.
Von diesen Unwettern besonders betroffen waren in Thüringen das Elstertal, das Holzland, das Orlatal und Südthüringen. Das Holzland, im besonderen das Mühltal bot ein Bild der Verwüstung. Blühende Gärten waren jetzt Schutt- und Geröllflächen. Der Bahndamm der Strecke Gera – Hermsdorf war an mehreren Stellen unterspült. Kurz vor Hermsdorf war infolge dessen ein Güterzug entgleist. Die Lokomotive, der Gepäckwagen und fünf andere Wagen stürzten die Böschung hinunter. Personen waren glücklicherweise nicht zu Schaden gekommen. Auch auf der Strecke von Niederpöllnitz nach Münchenbernsdorf war es zu Dammunterspülungen gekommen, so dass der Personenzug nach Münchenbernsdorf wieder umkehren und die Strecke für den weiteren Zugverkehr gesperrt werden musste. Die Wiesen zwischen Großebersdorf und Frießnitz bildeten einen einzigen See. Im Frankenwald wurde die Straßenverbindung von Hirschberg nach Hof nahe der Kühnmühle unterbrochen. Eine Betonbrücke wurde durch die Wassermassen eines Nebenflusses der Saale in dem Moment weggespült, nachdem gerade ein Autobus diese passiert hatte. Die Kühnmühle in Hirschberg selbst stand völlig unter Wasser. Das Personal und die Bewohner konnten sich nur noch durch die Fenster und über Leitern retten.
In Triptis selbst waren in der ersten Julihälfte, wie überall in Deutschland, hochsommerliche Temperaturen zu verzeichnen gewesen. Am Donnerstagnachmittag, dem 14. Juli, folgten nun
in hiesiger Flur sehr heftige und längere Zeit auftretende Gewitter mit schon reichlichen Niederschlägen. Die Luft blieb aber schwül und am Abend waren starke Nebelbildungen überall festzustellen. In der dritten Morgenstunde traten wieder schwere Gewitter auf und brachten besonders in den Fluren südöstlich und östlich der Stadt einem Wolkenbruch gleichkommende Regengüsse. Bald nach 3 Uhr waren die ersten Hilferufe von den durch Hochwasser bedrohten Einwohnern hörbar. (nach Triptiser Anzeiger)
Große Wassermengen kamen die Geraer Straße herein gewalzt und überfluteten die Poststraße und die Lange Straße (heute: Ernst-Thälmann-Straße). Zum anderen konnte das Flussbett der Orla die plötzlichen ungeheuren Wassermengen nicht mehr fassen, so dass der Schützenplatz (heute: Platz an der Stadthalle), der Galoskowskiweg (heute: Sportallee), der Wasserweg, die Orlagasse, die Lange Straße und die Roßstrasse teilweise 40 – 50 cm überflutet waren. In vielen anliegenden Häusern konnte nur mit größter Mühe das Vieh in Sicherheit gebracht werden. Viele Wohnungen und Läden standen reichlich unter Wasser und es entstanden große Schäden an Möbeln, Inventar und den verschiedensten Waren und außerdem waren die Räume im Parterre vollkommen verschlammt.
Auch auf dem Bahnhof hauste das Wasser. Die Küche und die Lagerräume der Bahnhofswirtschaft standen 1 ¼ Meter unter Wasser. Die Unterführungen zu den Bahnsteigen waren überflutet und mussten gesperrt werden. Die Straßen wurden an einzelnen Stellen aufgerissen und Schutt, Balken und Bretter wurden an anderen Stellen angeschwemmt. Besonders stark drückte das Wasser vom Schützenplatz her in der Orlagasse gegen die hinteren Eingänge der Häuser zur Roßstrasse zu und das Wasser lief einfach durch diese Anwesen hindurch. Aber auch entlang der Geraer Straße bis zum Stadtteich trat die Orla über ihr Flussbett, so dass alle Höfe der Häuser der Langen Straße unter Wasser standen, im Hotel Mohren z.B. ¾ m hoch. Die Gärten rechts und links der Orla, von der heutigen Tankstelle bis „Zur Schmitze“ (die Durchgangsstraße bestand zu jener Zeit noch nicht.) bildeten einen einzigen See.
Ein besonderes Problem in dieser Situation war das Wehr an der Westseite des Stadtteiches. Dieses Wehr mit seinen vier Durchlässen hatte die Aufgabe, den Wasserstand des Stadtteiches zu regulieren, damit immer genug Wasser für die Stadtmühle zum Betreiben des großen Wasserrades vorhanden war. Diese Mühle wurde in jener Zeit noch mit Wasserkraft betrieben. Schon morgens in der vierten Stunde des 15. Juli wollte der Ortsbrandmeister Müller gemeinsam mit dem Stadtmüller Claus und dem Ortspolizisten Hädrich die vier Schützen ziehen, damit das Wasser freien Abfluss hatte. Dies dauerte aber einige Zeit, da keiner der Männer wusste, dass die Schützen verkeilt waren, damit Kinder hier keinen Unfug anstellen konnten. Damit verzögerte sich die Öffnung des Wehres erheblich. Da nun der Teich zu voll war, drückte das Wasser durch den damaligen Kanal zurück und hob in der unteren Stadt die Kanaldeckel ab, so dass hier noch eine zusätzliche Überflutung eintrat.
Auch unterhalb von Triptis glichen die Wiesen und Felder rechts und links der Orla einem einzigen See. Alle Nebenbäche der Orla brachten nochmals große Wassermassen mit. In Neustadt in der Gerberstraße stand in manchen Häusern „das Wasser bis zum Schlüsselloch“. Und so ging es mit den Wassermassen weiter bis zur Mündung der Orla in die Saale. Zur Beseitigung des Wassers aus den überfluteten Kellern, besonders in der Langen Straße, wurde wieder die Handspritze der Feuerwehr am 15. und 16. Juli eingesetzt. Hierzu wurden wieder zum Teil Erwerbslose eingesetzt, die auch diesmal nach dem Bauarbeitertarif von 0,67 RM Stundenlohn von der Stadt bezahlt wurden. Um den großen Wassermassen Herr zu werden, wurde zusätzlich noch eine Handspritze von Oberpöllnitz angefordert, die zunächst im Stadtzentrum und dann am Bahnhof eingesetzt wurde.
In Triptis taten sich schon in den frühen Vormittagsstunden folgende zwei Fragen auf, die eine Beantwortung durch die Stadtverwaltung forderten.
- Wo waren bei Eintritt des Hochwassers die diensttuenden Polizeibeamten?
- Ist die Alarmierung der Feuerwehr bei Hochwasser nicht erforderlich?
Auch der Gewerbeverein Triptis berief zum 19. Juli eine Versammlung in den Mohren ein, woraufhin dieser Verein in einem Schreiben an den Stadtvorstand Fragen stellte, wie z.B. nach dem Zustand der Schützen am Stadtteich, die Frage nach dem Alarm durch die Polizei oder Feuerwehr bei Hochwasser, nach dem Zustand der Kanäle in den Straßen sowie nach der ersten Hilfe. Zur Aufklärung und zur Beantwortung all dieser Fragen wurden von Seiten der Stadtverwaltung alle möglichen Untersuchungen durchgeführt und Protokolle erstellt. Das Resultat war, dass dem diensthabenden „Schutzmann“ keine Schuld zuzusprechen sei, da er im Rahmen seiner Dienstaufgaben gehandelt habe und sich bemüht hatte, die Schützen am Stadtteich zu öffnen. Zur Frage der Alarmierung der Feuerwehr in diesem Falle stellte man sich auf den Standpunkt, dass ein solche nicht nötig gewesen sei,
… weil ein heftiges Gewitter vorausging das ohne weiteres die Leute selbst alarmiert habe.
Jedoch beschloss man, diese bei einer Wiederholung so zu regeln, dass der Hornist, der in der damaligen Zeit im Ernstfall durch die Straßen rannte und Feueralarm blies, zusätzlich noch rufen sollte „Das Hochwasser kommt“.
In Bezug auf die Kanäle wurde festgestellt, dass die Kanalreinigung regelmäßig erfolgte, dass jedoch bei einem solchen großen Wasseranfall, wie an diesem Tag, die Querschnitte der Kanäle nicht in der Lage waren, die Wassermassen aufzunehmen. Von Seiten des Landratsamtes wurde nun auch angeordnet, in Zukunft bei
entstehender Hochwassergefahr sofort in geeigneter Weise durch Fernsprecher, Radfahrer und dergleichen in jedem Falle die in Verlaufe ihres örtlichen Wasserlaufes unterliegende Gemeinde von der drohenden zu verständigen und auf die Pflicht der Weitergabe der Meldung an die nächste von der Gefahr bedrohten Nachbargemeinde hinzuweisen.