Das Hochwasser im Mai 1957

Die schwersten Hochwasser des 20. Jahrhunderts in unserer Stadt – Das Hochwasser im Mai 1957

Text von R. Scheuch (aus Triptiser Amtsblatt 2/1999) und Bildmaterial von W. Sauer, K-D. Mertens, C. Wohlrab und E. Staps

Ernst-Thälmann-Straße Richtung Roßstraße Rechts das abgerissene Rathaus
Ernst-Thälmann-Straße Richtung Roßstraße
Rechts das abgerissene Rathaus

Immer wieder entstanden in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Triptis durch heftige Regenfälle oder kleine Wolkenbrüche größere oder kleinere Überschwemmungen oder Hochwasser, wie z.B. 1941 oder 1954. Jedoch die größte Hochwasserkatastrophe für die Innenstadt stand noch bevor. Am Sonntag, den 19. Mai 1957, es war ein schöner und heißer Sommertag, ging plötzlich gegen 16.00 Uhr über den nordöstlichen Teil unserer Stadt, dem sogenannten Flurstück „Schwenders Hähnel“, also im oberen Orlagebiet, ein Wolkenbruch nieder. 

 

 

 

 

Im einem Bericht des Katastrophenkommission der Stadt Triptis an das damalige Staatssekretariat für örtliche Wirtschaft in Berlin hieß es:

„ … In einer ungeheuren Geschwindigkeit bewegte sich das Wasser aus der Einengung des oberen Orlalaufes über das Sportgelände durch die Sportallee zur Innenstadt vorwärts. Die Flutwellen strömten in drei verschiedenen Abständen und Ausmaßen über den Platz der Jugend zur Orlagasse. Die Wassermassen waren teils bis zu 60 cm hoch auf der leicht abfallenden, etwa 6 m breiten Sportallee. Das Haus Roßstraße 13 wurde am schwersten betroffen, weil die riesigen Wassermassen sich in den geschlossenen Türen stauten, wobei Höhen bis zu 1,20 m im Gebäude gemessen wurden. In den Häusern Roßstrasse 11, 13, 15 und 17 stand eingespülter Schlamm 10 bis 30 cm hoch und hat größere Schäden an dem vorhandenen Mobiliar angerichtet. Im dem HO-Industriegeschäft Roßstraße 13 waren fast sämtliche Verkaufsgegenstände unter Wasser. Bei dem Installateurmeister Kummer, Roßstrasse 17, waren sämtliche Elektroarmaturen und Ersatzteile einschließlich der Motoren völlig unter Wasser und Schlamm. Die Wassermassen bewegten sich teils durch den Mittelring, teils durch die Roßstraße in Richtung Ernst-Thälmann-Straße. Auch der Markt stand unter Wasser. 69 Keller wurden überschwemmt, 9 HO-Verkaufsstellen, 2 Konsum-Verkaufsstellen, 13 Privatgeschäfte und 132 Familien wurden vom Wasser in Mitleidenschaft gezogen.“

Die Überschwemmung war darauf zurückzuführen, dass der Einlauf der Orlaunterführung zu klein war und die Wassermassen nicht mehr fassen konnte. Durch die örtliche Katastrophen-Einsatzleitung unter Führung des stellvertretenden Bürgermeisters Manner, Bürgermeister Scheider kehrte erst am Abend von einer kommunalpolitischen Tagung aus Magdeburg zurück, wurden zunächst die notwendigen Sicherungsmaßnahmen unter tatkräftiger Mithilfe der Bevölkerung eingeleitet. Kurze Zeit nach Bekanntwerden des Unwetters erschien am Ort der Katastrophe unter anderem die damalige Vorsitzende des Rates des Bezirkes, Frau Poser, sowie weitere verantwortliche Mitarbeiter des Kreises aus Pößneck, die dann gemeinsam mit den Verantwortlichen der hiesigen Katastrophenkommission den Einsatz der Hilfsmannschaften lenkten. Am Katastrophenort waren 2 LF (Löschfahrzeuge) und 7 TS (Trag-Kraft-Spritzen) von 8 Freiwilligen Feuerwehren mit 97 Feuerwehrmännern, sowie der Katastrophenzug der Stadt Triptis mit 30 Mann eingesetzt. Weiterhin waren vom dem Volkspolizei-Kreisamt Pößneck 20 Polizisten und die gesamten VP-Helfer der Stadt Triptis als Absperrkräfte vor Ort.

Das Trinkwasser aus der städtischen Wasserleitung durfte nur noch abgekocht verwendet werden, da alle Quell-Schächte ersoffen und die Wassersammelbehälter der zentralen Wasserversorgung verschlammt waren. Bis nachts 1 Uhr war es den vereinten Kräften unter Mithilfe der Bevölkerung gelungen, sämtliche Wassermassen aus den Kellern wieder zu entfernen. Auch der gesamte Verkehr konnte durch Umleitungen provisorisch wieder aufgenommen werden, so dass die zu Hilfe geeilten auswärtigen Feuerwehren wieder abziehen konnten. Die Triptiser Wehr blieb jedoch auch weiterhin im Einsatz, deren wichtigste Aufgabe darin bestand, die Trinkwasserversorgung wieder herzustellen und die nötigen Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, um bei Einsetzen des Tageslichtes nochmals die betroffenen Keller von den letzten Wasserresten zu befreien. In den frühen Morgenstunden erfolgte auch unter Mithilfe der Bevölkerung die Beräumung der Straßen. Die staatliche Bauaufsicht musste nun am Tag die beschädigten Gebäude besichtigen und die erforderlichen Maßnahmen für deren Reparatur einleiten. Die Abteilung „Handel und Versorgung“ hatte sofort eine Überprüfung der geschädigten Geschäfte durchzuführen, denn auch viele Lebensmittel, wie z.B. Zucker und Salz waren durch das Wasser verdorben. Auch war in einigen Fällen der in den Kellern lagernde Hausbrand (Brikett und Siebkohle) vernichtet worden. Die Höhe der Schäden, die das Wasser angerichtet hatte, sowie die eingetretenen Flurschäden mussten besichtigt und eingeschätzt werden.

Am nächsten Mittag, am Montag, tagten dann in dem damaligen Stadthaus die Kreisbeauftragten und die Kreis-Katastrophenkommission gemeinsam mit der örtlichen Katastrophenkommission und legten auf Grund der am Vormittag erfolgten Überprüfung die Sofort-Maßnahmen fest. So waren unter anderem an Straßen 35.000,- DM Schaden entstanden, in 13 Gebäuden wurde ein Gesamtschaden von etwa 12.000,- bis 15.000,- DM festgestellt, wobei Folgeschäden (wie zum Beispiel Hausschwamm) nicht berücksichtigt waren. Die erforderlichen Materialien zu deren Behebung beliefen sich schätzungsweise auf 4 cbm Holz, 5 t Zement und etwa 3.000 Ziegelsteine. Auf wasserwirtschaftlichem Gebiet waren ca. 7.000,- DM Schaden am Orlalauf entstanden, wobei ein Gewölbeabschnitt in Länge von 20 m eingestürzt war. Die Bachmauern am Stadtteich, die Einleitung in die Kläranlage sowie die Uferböschung in Richtung der Eisenbahn waren unterspült bzw. verschwemmt. Durch die Abteilung „Handel und Versorgung“ beim Rat des Kreises Pößneck wurden 21 Gaststätten und Verkaufsstellen kontrolliert in Anwesenheit der Hygiene-Inspektion und des damaligen Kreisarztes Herrn Dr. Stolle. Nach Schätzungen waren 70.000,- DM Schäden an Lebensmitteln, Möbel und Industriewaren entstanden, die jedoch auf Grund des Sonderverkaufes um etwa 50 % niedriger lagen. Bei 132 Familien standen die eingekellerten Kartoffeln unter Wasser. In dem oben angeführten Schreiben heißt es weiter:

„Wegen dieser kolossal schnellen und ziemlich lang anhaltenden Wassermassen, die durch Fäkalienableitungen, Fäkaliengruben, Mistsammelgruben und dergleichen durchgeflossen waren, durften auf Anweisung des Kreisarztes diese Kartoffeln nicht mehr für den menschlichen Genuss verwandt werden. … Es wurde Gelegenheit geboten, diese Kartoffeln abzuliefern und neue zu empfangen.“

Von den 18.200 kg, die zur Ablieferung hätten kommen müssen, wurden nur 4.200 kg abgeliefert, denn es fehlte eine konkrete Festlegung, wer die Preisdifferenz tragen sollte, da die unbrauchbaren Kartoffeln pro 100 kg mit 4,- DM aufgekauft wurden und bei den neuen Kartoffeln für 100 kg 10,80 DM bezahlt werden sollte. Diese Unklarheit hatte eine sehr unangenehme Kritik an der Arbeit des damaligen Staatsapparates ergeben, zumal 8 Wochen später Kommunalwahlen anstanden. Die Reparaturen an den Gebäuden mussten die Besitzer selbst bezahlen und so heißt es in einem Schreiben des Vorsitzenden des Rates des Kreises Pößneck vom 5.6.1957, dass eingehend mit den Hauseigentümern beraten wurde und diese auf die gegebenen Möglichkeiten zur Beseitigung der Schäden hingewiesen wurden. Es bestand für diesen Fall die Möglichkeit, von der Sparkasse einen Kredit mit nur 1,5 % Verzinsung und 1 % Amortisation ausgereicht zu bekommen.

Zum ersten Mal wird auch in dem Schreiben des Vorsitzenden der Katastrophenkommission der Stadt Triptis, Bürgermeister Scheider, an das Staatssekretariat für örtliche Wirtschaft in Berlin, von einem Rückhaltebecken an der Orla gesprochen. Wörtlich heißt es:

„Der Rat der Stadt, die Ortsleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands sowie die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Triptis haben in ihren Sitzungen im Anschluss nach der Katastrophe gemeinsam mit dem Ortsausschuss der Nationalen Front in konkreten Beschlüssen sich dahingehend ausgesprochen, dass es erforderlich ist, innerhalb unserer Stadt Triptis ein sogenanntes Rückhaltebecken zu errichten. Nach Schätzungen von Fachleuten würde die Fertigstellung dieses Dammes in etwa 150 m Länge ca. XXXXXX,- DM (nicht lesbar) kosten. Als Begründung hierfür können wir nachweisen, dass bereits seit den Jahren 1827 und früher, in Abständen von drei, fünf und einigen Jahren mehr, größere Wassermengen in Triptis erhebliche Schäden anrichteten.“

Dieser Staudamm wurden dann auch, 20 Jahre später, 1977 – 1979 gebaut und im Jahre 1980 an die Stadt übergeben. Seit dieser Zeit blieb nun die Innenstadt von größeren Überschwemmungen verschont.